Auf dass wir klug werden by Anja Zimmer
Autor:Anja Zimmer [Zimmer, Anja]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783937013084
Herausgeber: Frauenzimmer-Verlag
veröffentlicht: 2011-09-14T22:00:00+00:00
Mit tiefster innerer Befriedigung sah die Gräfin nun, wie die Miene des alten Herzogs immer unheilvoller wurde. Kein Zweifel, über Elisabeths Haupt braute sich ein Gewitter zusammen. Das wollte die Köstritzsche auf keinen Fall verpassen, und so eilte sie dem Herzog hinterher, als dieser sich erhob, um ins Frauengemach seiner Schwiegertochter zu eilen.
Ohne anzuklopfen trat er ein und ließ die Tür weit offen stehen, was die alte Gräfin freudig als Einladung auffasste, das Gewitter aus nächster Nähe zu beobachten.
„Den Brief!“ sagte der Herzog nur. Seine Geste war energisch und unmissverständlich.
Elisabeth erhob sich würdevoll, verneigte sich und sagte: „Guten Tag, mein Herr Vater!“
Der Herzog trat auf sie zu. Bedrohlich leise sagte er: „Sie werden Uns augenblicklich den Brief aushändigen, den Sie soeben verfasst haben.“
Elisabeth warf der Gräfin einen giftigen Blick zu, dann wandte sie sich zu ihrem Schreibpult um, wo der Brief lag, den sie bereits versiegelt hatte. Ungeduldig zerbrach der Herzog das Siegel - es war noch warm - zerrte die Pergamentstreifen aus den Schlitzen und entfaltete den Brief. Laut begann er zu lesen:
Hochgeborener Fürst, freundlicher Herr Vetter,
die Luft hier am Hof zu Dresden wird für mich unerträglich. Wie schön waren doch die Wochen bei Euch in Torgau. Ich konnte frei atmen und habe lange nicht so gut geschlafen und mit so gutem Appetit gegessen. Wie gerne würde ich Eurer Einladung folgen - das nächste Schiff würde ich besteigen und mich eigenhändig ans Ruder setzen, nur um schneller in Torgau zu sein. Wie angenehm waren die Gespräche mit Eurer lieben Gemahlin. Ich schätze sie sehr und bitte Euch, sie recht herzlich zu grüßen.
Leider erlaubt mein lieber Herr Vater nicht, dass ich wieder verreise. Noch weniger erlaubt er uns eine eigene Hofhaltung. Ich kann Euch nicht sagen, wie sehr ich darunter leide, für jeden Atemzug, den ich tue, Rechenschaft abzulegen. Außerdem spioniert man mir nach. Meine letzte Hofmeisterin, die Köstritzsche, eine widerwärtige, beschränkte Kröte, folgt mir auf Schritt und Tritt und wartet nur darauf, dass ich etwas tue, damit sie mich beim Herzog anschwärzen kann. (Bei diesen Worten atmete die alte Gräfin deutlich hörbar ein, doch der Herzog las ungerührt weiter.) Manchmal möchte ich auf und davonlaufen. Doch ich muss mich damit begnügen, Briefe zu schreiben. Ich bitte Euer Lieben inständig, an meinen Bruder zu schreiben, dass er bald nach Dresden kommen soll. Auf ihn setze ich große Hoffnung, dass er meine Situation verbessern wird. Wenn er auf den Alten einwirken könnte, dass wir vielleicht doch noch einen eigenen Haushalt bekommen, dann wäre ich überglücklich. Wenigstens kann ich denken, was ich will. Gott wird’s wohl machen.
So seid denn Gott befohlen, bleibt allzeit bei guter Gesundheit und betet, dass wir uns bald wieder sehen.
Dresden, im März anno 1532
E H z S52
„Haben Sie dazu etwas zu sagen?“ fragte Herzog Georg streng.
„Nein, ich denke, dass ich dem nichts mehr hinzufügen muss“, erwiderte Elisabeth und verneigte sich leicht.
„Das werdet Ihr zurücknehmen!“ rief die alte Gräfin.
„Was denn? Ihr meint sicher die widerwärtige, beschränkte Kröte? Gut, die Kröte nehme ich zurück. Es wäre eine Beleidigung für jede Kröte, Euch mit ihr gleichzusetzen.
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